Heinrich Landzettel II
Der Mann auf dem nebenstehenden Bild heißt Heinrich Landzettel II. Ihm soll hier ein besonderer Platz eingeräumt werden, weil ihm ein besonderes Schicksal widerfahren ist.
Als die Familienregister nach der Familie Landzettel in Groß-Umstadt durchsucht wurden, fiel ein Eintrag im Sterberegister auf. Demnach befand sich der Ehemann der 1912 gestorbenen Margaretha Katharina Landzettel, geb. Jahnson, der Heinrich Landzettel II am Todestag seiner Ehefrau in der Landesirrenanstalt Philippshospital in Goddelau.
Nach einiger Recherche konnte ein Eintrag in das Familienregister Goddelau gefunden werden, der bestätigte, dass besagter Heinrich Landzettel II am 13.1.1917 in der genannten Anstalt gestorben ist.
Freundlicherweise wurde die Krankenanke des Heinrich Landzettel II vom Archiv des Psychiatriemuseums Riedstadt der Vitos GmbH zur Verfügung gestellt und so konnte seine Lebens- und Krankengeschichte rekonstruiert werden.
Im November 1989 wird Heinrich Landzettel von Heppenheim in das Landeshopital bei Goddelau verlegt. Aus einem Schreiben anlässlich dieser Verlegung lässt sich recht gut das Leiden des Heinrich Landzettel verstehen:
"Der Weißbinder Heinrich Landzettel II aus Groß-Umstadt, geboren am 17. Mai 1845, evangelisch, verheiratet, befindet sich seit dem 26. Februar 1896 wegen chronischer Verrücktheit in der hiesigen Anstalt. Die zahlreichen Verfolgungsideen, an denen er ununterbrochen leidet, guppieren sich in der Weise, daß er auf Grund abnormer Empfindungen an den verschiedensten Theilen des Körpers, die Ansicht hat, geheimnisvolle Wesen, die er ((nicht zu entziffern)) nennt, griffen ihn an diesen Stellen an, daß er ferner überhaupt sich von allen Seiten verfolgt erblickt und daher kurzweg in der Anstalt eine Mörderfabrik, eine Menschen((....))meisterei eine Satansfabrik sieht. Stets ist Patient bestrebt, den Angriffen zu begegenen, indem er bald über die Mißhandlungen schimpt, bald ein von ihm componiertes Trutzlied singt, bald in unartikulierten Tönen seinen Unwillen kundgibt; er wird hierdurch öfters sehr störend, bedarf daher auch andauernd des Aufenthalts in der unruhigen Abtheilung, zumal er auch nicht frei von Fluchtverdacht ist."
Über seinen Allgemeinzustand erfahren wir folgendes:
"Seine Neigung zu einer geordneten Beschäftigung ist sehr gering. Patient liest zwar regelmäßig, lehnte aber seither jede körperliche Arbeit ab.
Selbstgefährlichkeit besteht bei ihm nicht, auch ist der Kranke, der sich fast nur ausschließlich auf sich selbst beschränkt, anderen Patienten gegenüber freundlich und verträglich. Er ist nicht isolierbedürftig.
Früher litt der Kranke zeitweilig an Eczem; zur Zeit ist er körperlich völlig gesund, schläft gut und ist mit gutem Appetit die Kost seiner Abteilung."
Und folgendes zu den Therapien:
"Patient nimmt zur Zeit keine Mittel, auch sind alle Versuche, dem Kranken durch Narcotica etwas Linderung seiner abnormen Mißempfinden zu bringen, vergeblich gewesen."
In seiner Krankenakte wird der weitere Veraluf festgehalten. So z.B. am 5. Janauar 1915: "Schreit viel vor sich hin, sieht Gespenster. Nachts ruhig."
Von März bis Mai 1916 plagt ihn ein Abzeß am Oberarm:
"19.III16
Beim Wäschewechsel wurde eine große eiternde Stelle (Zerfallsherd) mit einer in die Tiefe führenden Abszeßhöhle an der Aussenseite des rechten Oberarms entdeckt. Der ganze Arm war ödematös geschwollen. Temperatur dabei (morgens) 37,2, am Abend 38,8. Es wurde feuchter Verband angelegt.
20.III.16
Schwellung des ganzen Arms dauert an. Temp. am Morgen 37,0. Aus zahllosen Öffnungen entleeren sich kleinere Eitermengen Eine große Eitermasse entleert sich auf Druck aus der eigentlichen Abszesshöhle.
24.III.16
Erheblicher Gewebsverlust durch eitrige Einschmelzung
27.III-16
Langsame Reinigung und Verkleinerung der Wundfläche
5.IV.16
In der Achselhöhle sind Schwellungen einzelner Drüsen hinzugekommen. Verlauf der Wundheilung normal.
20.IV.16
Schwellung der Achseldrüsen zurückgegangen. Wunde verkleinert sich langsam, aber ständig.
24.IV.16
Drüsenschwellungen von aussen nicht mehr sichtbar.
23.V.16
Wunde pfenniggroß mit Schorf bedeckt. Schutzverband."
Am 18.10.1916 wird noch vermekrt, dass er "dauernd vor sich redend zu Bett (liege), ohne sich um seine Umgebung zu kümmern, und wieder- holt oft stundenlang denselben Satz: "Hundert mal hundertausend mal wöllste leer mehr leer nicht mehr rein". Dabei blickt er starr in die Luft. Reinlich und selbständig.
1917 verstirbt er schließlich an Ateriosklerose:
"11.I.17
Lag heute früh bewusstlos vor seinem Bett. Wurde nach der Wache 6a verbracht. Der Puls ist verlangsamt und unregelmäßig. Die Radialgefäße sind arteriosklerotisch verändert. Pat. ist bewusstlos, fühlt sich kühl an. Erhält Coffein und Campher subkutan.
12. I. 17
Zustand unverändert
13.I.17
Der Kranke ist heute früh 6 Uhr gestorben. Todesursache: Arteriosklerose."
Die Seite oben zeigt, dass er ab September 1914 kontinuierlich an Gewicht verliert bis er schließlich mit 41 kg im Januar 1917 stirbt. Die Krankenakte lässt die Ursache dafür jedoch im Dunkeln.