Herkunft
Meine Opa ist Ende des 19. Jahrhunderts als viertes, bzw. drittes überlebende Kind einer kinderreichen Familie geboren.
Inzwischen ist die Familie recht gut erforscht und hier finden sich mehr Informationen zu den Geschwistern meines Opas und deren Nachfahren.
Der erste Weltkrieg
Mit 13 oder 14 Jahren ging mein Opa laut Erinnerungen von Familienmitgliedern in eine Bierbrauerlehre nach Dortmund. Das wäre etwa 1907/08 gewesen, als sein älterer Bruder noch lebte. Es könnte gut sein, dass die Familie dem zweitältesten Sohn vielleicht einen Wunsch nach einem Leben außerhalb der Steinbrüche und ohne Feldarbeit erfüllen wollte. Es bleibt aber im Dunkeln, wie sie eine Steinhauerfamilie für ihren Sohn eine Lehre in Dortmund hat leisten können.
Bevor mein Opa die Früchte seiner Lehrzeit hat ernten können, musste er erst die Grauen des 1. Weltkrieges überstehen. Nach Familienerinnerungen an eigene Erzählungen meines Opas, hat er die von seinem ersten eigenen Geld gekaufte Kleidung per Post nach Hause geschickt. Er ist wohl nach Lehre und vielleicht einer Zeit auf der Walz erst gar nicht nach Hause gekommen, sondern direkt eingezogen worden, oder auch freiwillig zum Militär gegangen.
Aus seinem erhalten gebliebenen Wehrpass aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges geht hervor, dass er von Oktober 1914 bis 20.11.1918 im Reserve Infanterie Regiment 51 gedient hat. Im Oktober 1914 wurde er gerade 20 Jahre alt.
Im Bundesarchiv gibt es noch eine zweite Quelle (Bundesarchiv B578 / KBL4635), die Auskünfte über seine Zeit während des Krieges gibt. Ein Eintrag in eine Liste des Kriegslazarett St. Ludwig Seclin gibt seinen Diensteintritt mit dem 12.12.1914 an. Demnach diente er als Musketier im "R.I.R. 51" (Reserve Infanterie Regiment 51), "1. Kp" (1. Kompanie). "12. R. d." (Abkürzungen sind mir nicht bekannt). Der 23.7.1918 ist als Datum seines "Zugangs" vermerkt und am 3.9.1918 ist sein Abgang und die "Übergabe" erfolgte zu "L.K. Z" (oder "2"). Unter Verletzung ist die Abkürzung "Lp 1. / II." eingetragen, die sich mir leider nicht erschließt.
Laut Verlustliste vom 17.8.1915 wurde er "leicht verwundet". Sein Bruder Valentin war zu diesem Zeitpunkt schon an seiner Verwundung gestorben (8.3.1915). Im August 1915 dürfte sein Regiment im Wald von Forges gelegen haben.
Während Valentin im 23. Infanterie-Regiment, Bayern 179 gedient hat, hat mein Opa nach dem Eintrag in den Verlustlisten im "Infanterie Regiment Bürkner" gedient. Bisher habe ich keine brauchbaren Ergebnisse zu diesem Regiment gefunden und konnte auch keine Verbindung zur im Wehrpass genannten Reserve Infanterie Regiment 51 herstellen. Ein Regiment 303 wurde in der preußischen Armee nicht aufgestellt, allerdings gab es eine 303. Division. Robert Bürkner war ein preußischer Offizier, der von 1921 bis 1924 das 2. (Preußische) Infanterie-Regiment der Reichswehr kommandierte. Auch das scheint hier nicht zu passen.
Nach Familienerinnerungen war mein Opa als Melder in Frankreich eingesetzt. Eine Schussverletzung im Gesicht hat mein Opa überlebt. Auch ich kann mich erinnern, dass mein Opa erzählt hat, dass er zwischen den Gefechtsständen hin- und herlaufen musste und an die Narbe am Kinn, die die Schussverletzung hinterlassen hat, kann ich mich ebenfalls erinnern. Laut Erzählung war der Kopfverband und die sich darunter befundenen Läusen für meinen Opa das Schlimmste an der Verletzung. Ob es sich bei der in der Verlustliste vom 17.8.1915 erwähnte "leichte Verletzung" um diese Schussverletzung gehandelt hat oder diese Verletzung der Grund für den doch längeren Aufenthalt im Lazarett an der Westfront gegen Ende des Krieges, ist nicht bekannt.
Sein Elternhaus hat er nach dem ersten Weltkrieg endgültig verlassen, nachdem seine guten Kleider, die er sich ja selbst angeschafft und nach Hause geschickt hatte, von seinen Geschwistern während des Krieges aufgetragen wurden. Er soll das Haus wütend verlassen haben
Zwischen den Kriegen
Mein Opa soll als Bierbrauergeselle durchs Land gezogen sein und dabei in Groß-Umstadt Antonie Geisenhof kennengelernt haben. Diese Version passt zwar in seinen Lebenslauf, ist aber nicht belegt. Ebenso wenig ist belegt, wo er diese Jahre genau verbracht hat.
Für seine Heirat mit Antonie Geisenhof aus Groß-Umstadt am 15.1.1922 gibt es aber einen Beleg. Laut seinem Eintrag im Heiratsregister wohnte er zu diesem Zeitpunkt in Babenhausen, Hessen. Es ist nicht überliefert, wo er in dieser Zeit gearbeitet hat. Bei einem Wohnort in Babenhausen, wäre es möglich und naheliegend, dass er auch dort gearbeitet hat. Dann wäre Michelsbräu ein wahrscheinlicher Arbeitgeber. (Eine Anfrage bei der noch immer bestehenden Brauer brachte kein Ergebnis.)
Es ist überliefert, dass er zumindest später bei der Brenner-Brauerei, richtig "Brauerei und Mälzerei Brenner", gearbeitet hat. Diese hat aber während dem ersten Weltkrieg die Bierproduktion stillgelegt und erst 1925 wieder aufgenommen. Also wird er kaum dort schon Anfang der 1920er beschäftigt gewesen sein. Alternativ könnte mein Opa noch in der Schwanenbrauerei in Groß-Umstadt gearbeitet haben.
Am 13.1.1927 stirbt der Schwiegervater (Sebastian Geisenhof I) meines Opas in Groß-Umstadt. Mein Opa zeigt dessen Tod beim Standesbeamten an. Im Eintrag im Sterberegister ist als Berufsbezeichnung des Anzeigenden, also meines Opas, "Bierbrauer" und nicht "Bierbrauermeister" angegeben. Die Ortsangabe an dem Sebastian Geisenhof lautet: "in der Behausung des Anzeigenden". Sebastian Geisenhof gehörte zu dieser Zeit das Anwesen in der Höchster Straße. Es ist also gut möglich, dass mein Opa mit seiner ersten Frau in dem Anwesen in der Höchster Straße gemeinsam mit seinen Schwiegereltern gewohnt hat.
Als 1933 die Schwiegermutter stirbt, wird ebenfalls angegeben, dass sie in der Wohnung des "Bierbrauer" Johann Nicolaus Achtmann verstirbt.
Dass er direkt nach der Hochzeit mit seiner Braut Antonie, geb Geisenhof (1897 - 1937) zusammen wohnte, liegt nahe. Mit ihr hatte er drei Kinder: Hans (1922 - 2006) und die Zwillinge Margot (1930 - 2016) und Ilse (1930 - 2018). Aus den Einträgen im Sterberegister lässt sich schließen, dass die Familie zusammen wohnte, ob dies im Haus der Geisenhof in der Höchster Straße oder in der ab 1938 als Wohnort dokumentieren Wohnung der Brenner-Brauerei war, ist nicht klar.
Das Familienglück wird jedoch 1937 sehr tragisch durch einen Verkehrsunfall zerstört, bei dem die erste Frau meines Opas ums Leben kommt.
Zweite Ehe und Karriere nach dem Krieg
Am 23. Mai 1937 stirbt die erste Frau Johanns bei einem Autounfall. Mein Opa steht mit seinen beiden siebenjährigen Töchtern und dem 15jährigen Sohn als alleinerziehender Vater da. Eine rasche zweite Ehe war in dieser Situation naheliegend und tatsächlich heiratet er meine Oma Anna (1901 - 1987) schon am 3.12.1938 in Aschaffenburg.
1938 wohnt er in der Zimmerstraße 23 (Brenner-Brauerei), Groß-Umstadt. Für seine zweite Frau ist es die erste Ehe . Als sein jüngster Sohn auf die Welt kommt, ist Johann Nikolaus bereits 49 Jahre alt. 1950 wohnt die Familie weiterhin in der Brenner Brauerei in Groß Umstadt in der Zimmerstraße 23. Johann arbeitet in der Brauerei als Braumeister.
In den 1950er Jahren zieht die Familie noch einmal um. Johann wechselt die Stelle und arbeitet in der Schwind-Brauerei in Hafenlohr am Main. Erst zur Pensionierung – Anfang der 1960er Jahre – kehrt er mit Frau und Sohn Claus wieder nach Groß-Umstadt zurück.
Es ist eine beeindruckende Karriere, die Johann Nikolaus Achtmann gemacht hat. sein Großvater war noch Bauer in Stettbach. Sein Vater zieht dann vor, als Steinhauer in Rundelshausen zu leben. Wenn man sich die Arbeitsbedingungen der Steinhauer vor Augen führt, scheint auch das ein hartes Los gewesen zu sein. Johann Nikolaus, mein Opa, hat es bis zum Bierbrauermeister gebracht und damit die operativ-technische Leitung von Brauereien inne gehabt; ein Karriereerfolg, der nicht zu unterschätzen ist.
Mein Opa lebte bis zu seinem Tod am 30.6.1978 in der Höchster Straße 32 in Groß-Umstadt.