Landzettel und Weißbindergeschäft

Mein Ur-Großvater, Johannes Führes (1882 - 1968) war von Beruf Weißbinder - neben Tätigkeiten als Holzfäller und Musiker. Sein Berufsleben dürfte etwa von kurz vor der Jahrhundertwende (ab 14 Jahre) bis 1950/1960 gedauert haben. Dazwischen war er Kriegsteilnehmer ab 1914. Gearbeitet hat er als Weißbinder mit den Familienmitgliedern seiner Mutter, Justine Landzettel (1859 - 1937). Es ist unklar, inwiefern, es eine Gewerbe "Weißbinderei Landzettel" gab. Diese Seite beschäftigt sich mit dem Familienzweig Landzettel und deren Geschäft der Weißbinderei.

 

etwa 1930: wahrscheinlich damalige Weißbinder, die sich anlässlich eines der "braunen Umzüge" getroffen haben - Heinrich Landzettel IV (1904 - 1952) st am 23.4.1933 in die SA eingetreten und könnte der Mann mit Uniform auf der rechten Bildseite sein. 1. stehend v. li: Johannes Führes (1882 - 1968)

Die Familie Landzettel

Johannes Landzettel (1785 - 1861) heiratet 1818 in Groß-Umstadt die Maria Seyfried. Im Heiratsregister wird er als "angehender Bürger" tituliert. Er ist Sohn des "Roßdorfer Gemeindemannes" Martin Landzettel und seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Nicolai.

Als Johannes Landzettel 1861 in Groß-Umstadt stirbt, hat er es zum Schuhmachermeister gebracht und hat mindestens zwei Söhne: der ältere, Jacob ist am 8.7.1812 unehelich geboren, der jüngere, Heinrich, am 2.9.1820 in Groß-Umstadt.

Jacob heiratet 1840 die Maria Katharina Heinz. Dieses Paar bleibt wahrscheinlich kinderlos - zumindest gibt es keine Einträge im Taufregister von Groß-Umstadt, die ihm als Vater zugeordnet werden könne. 1861 wird er als Zeuge im Sterberegistereintrag seines Vaters erwähnt. Sein Beruf ist Schuhmachermeister. Zehn Jahre später taucht er wieder als Zeuge im Sterberegister auf - diesmal beim Eintrag der Mutter. Inzwischen ist er Tagelöhner und fast 60 Jahre alt. Nachdem seine Frau Maria 1870 stirbt, heiratet er ein zweites Mal (Regina Finger (ca. 1812 - 1900) und stirbt schließlich am 6.2.1884 in Groß-Umstadt mit 82 Jahren. Es sind keine Kinder von ihm in den Familienregister von Groß-Umstadt aufgeführt.

Jacobs Bruder Heinrich ist Weißbinder. Geboren wird er 1820 in Groß-Umstadt. Verheiratet ist er mit Justina Schwöbel (1823 - 1886) mit der er insgesamt neun Kinder hat. Er wohnt in der (Oberen) Obergasse No 304. Heinrich wird am 29.12.1886 im Wald beim Holzmachen von einem Baum erschlagen. Seine Frau ist fast ein Jahr zuvor verstorben.

Im Staatsarchiv in Darmstadt gibt es eine Archivalie "Familienrechtssachen Groß-Umstadt: Landzettel, Justina, geb. Schwöbel, Ehefrau des Heinrich Landzettel, Ableben 1886 - 1886" (HStAD, G 28 Gross-Umstadt, F 3330), die noch nicht eingesehen wurde.

Seine Söhne Heinrich (1845-1917), Jacob (1851-1943), Johannes (1854-1934) und August (1865-1948), sowie die Männer seiner Töchter Justine (Konrad Führes, 1857-1914) und Anne Marie (Adam Metzger, 1843-1924) sind alle von Beruf Weißbinder oder Maurer.

Laut Familienerinnerungen gab es eine Weißbinderei Landzettel, die zunächst in der Obergasse, später gegenüber des Gymnasiums in Groß-Umstadt ansässig gewesen sein soll.

Wer aus der Familie, welche Rolle in diesem Geschäft hatte, soll hier beleuchtet werden. Dabei ist die Sammlung von Informationen keineswegs abgeschlossen. Die bisherigen Erkenntnisse werden hier dargestellt, um über die Kommentarfunktion (unten) oder auch die Kontaktseite zu weiteren Erkenntnissen zu gelangen.

Stammtafel des Johann Landzettel I im Überblick - umkreist der Gründer der Weißbinder-Tradition der Landzettel.

Die Umstädter Weißbinder-Dynastie wurde von Heinrich Landzettel I (1820-1886) gegründet. Dass er von Beruf Weißbinder war, ist in allen Einträgen in die Taufregister anlässlich der Geburten seiner neun Kinder sowie im Trauregistereintrag von 1844 dokumentiert.

Als sein dritter Sohn 1876 heiratet und Heinrich Trauzeuge ist, wird als Adresse "Obere Obergasse No 304" angegeben.

Diese Adresse findet sich nun als "Obergasse No 304" bei mehreren Familienregistereinträgen und belegen, dass seine Söhne Johannes und Jakob im Jahr 1876 ebenfalls dort gewohnt haben.

Stammtafel des Heinrich Landzettel I (Stand 6.3.2022)

Im Starkenburger Adressbuch von 1906 finden sich folgende Landzettel:

August
Weißbinder
Obergasse 8
Heinrich II (Ehefrau)

Backhausgasse 12
Heinrich
Weißbinder
Bahnhofstraße 13 5/10
Jakob II
Maurer 
Zimmerstraße 19
Johannes II
Weißbinder
Backhausgasse 6
Karl
Weißbinder 
Zimmerstraße 26

                                            

Im Adressbuch von 1938 finden sich folgende Landzettel:

August                      Invalide                           Hügelstraße 8
Heinrich III               Weißbinder                   Backhausgasse 6
Heinrich IV                Weißbinder                      Hügelstraße 8
Jakob II                     Invalide                            Zimmerstraße 19
Johannes III             Weißbindermeister        Schulstraße 28
Johannes V               Fabrikarbeiter                   Zimmerstraße 21
Karl                          Weißbinder                    Schellengasse

Im Adressbuch von 1950 finden sich folgende Landzettel in Groß-Umstadt:

  • Heinrich III                Weißbinder                       Backhausgasse 6
  • Heinrich III              Maler und Weißbinder   Backhausgasse 4
  • Heinrich IV                Weißbinder                       Obergasse 18
  • Johannes III             Maler und Weißbinder   Schulstraße 28
  • Johanes III                Weißbinder                       Schulstraße 28
  • Magdalene                                                        Hügelstraße 8
  • Marie                                                                Schellengasse 1

Und in Dieburg:

  • August                                                              Dieburg, Schloßgasse 6

Fett sind die Einträge dargestellt, die nicht nur im Personenregister, sondern auch im Gewerberegister unter "Maler und Weißbinder" aufgeführt sind.

Das ehemalige Haus der Familie Landzettel in der heutigen Obergasse 21 (im 19. Jhdt wahrscheinlich "Nr. 304" 
aus "Uffgelääsénés unn Zammegeschreewénés aus Umschdadd".  

Beispiele für dokumentierte Weißbinder-Arbeiten der Familie Landzettel

  • Johannes Landzettel III wirbt für sein Weißbindergeschäft auf einer Handwerkermesse in Groß-Umstadt 1941
  • Heinrich Landzettel hat die Weißbinderarbeiten bei der Renovierung des Gasthauses Frankfurt Hof in den 1940er Jahren durchgeführt.

Die Weißbinder-Dynastie der Landzettel

Schematisch und überblickshaft können die aus den Adressbüchern und den Familienregistern bisher gewonnenen Erkenntnisse folgendermaßen dargestellt werden.

Berufliche Aktivität der Familienmitglieder als Weißbinder oder Maurer, geschätzt anhand der Lebensdaten, beginnend ca. 20 Jahre nach Geburt bis Lebensende; gestrichelte Umrandung, wenn die Lebensdaten unbekannt sind. Adressen anhand Familienregistereinträgen und Adressbüchern von 1938 und 1950.